Willkommen im Systemischen Newsletter der GIS-Akademie

Wir versorgen dich regelmäßig mit Inspiration, Praxisimpulsen, Veranstaltungstipps und spannenden Beiträgen aus der Welt der systemischen Beratung & des Coachings.
Dies sind die Themen im September:
Systemische Auftragsklärung – mehr als nur ein Startpunkt

In der systemischen Beratung ist die Auftragsklärung weit mehr als eine formale Einstiegsfrage. Sie ist ein zentrales Steuerungsinstrument für den gesamten Prozess und ein Indikator für Qualität. Professionelle Beratung beginnt dort, wo Klärung nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wozu“, „Für wen“ und „Was nicht“ betrifft.
Bei der systemischen Auftragsklärung konstruiert der Berater*die Beraterin gemeinsam mit dem Klienten ein tragfähiges, zukunftsgerichtetes Arbeitsbündnis. Es geht darum, ein klares, gemeinsam verstandenes Ziel zu formulieren, nicht um eine reine Problembeschreibung. Eine Aufzählung von Schwierigkeiten ersetzt noch keinen Beratungsauftrag. Erst wenn deutlich wird, wohin jemand will und welche Ressourcen aktiviert werden sollen, entsteht ein echter Ausgangspunkt für Veränderung.
Was ist Auftragsklärung im systemischen Sinn?
Die systemische Auftragsklärung, auch Auftragskonstruktion genannt, dient dazu, den Beratungsprozess von Anfang an lösungsorientiert zu strukturieren und Missverständnisse zu vermeiden. Es handelt sich um einen dialogischen Aushandlungsprozess zwischen Berater*in und Klient*in, der mehrere Funktionen erfüllt:
• Orientierung: Was ist das Ziel? Woran würden wir erkennen, dass die Beratung erfolgreich war?
• Fokus: Was gehört dazu – und was nicht? Woran arbeiten wir nicht (z. B. Veränderung Dritter)?
• Zuständigkeit: Was liegt in der Verantwortung der Klientin*des Klienten? Welche Unterstützung ist gewünscht?
• Systemische Perspektive: Wer ist betroffen? Wer profitiert oder leidet unter der Veränderung?
Die drei Ebenen der systemischen Auftragsklärung
Eine fundierte systemische Auftragsklärung berücksichtigt idealerweise drei unterschiedliche Ebenen, die jeweils einen eigenen Erkenntniswert haben.
1. Offizieller Auftrag
Wer erteilt den formellen Auftrag und mit welchem Anliegen? Das können beispielsweise eine Einrichtung, eine Führungskraft, eine Organisation oder eine Privatperson sein.
Ein Beispiel: „Frau M. soll ihr Kommunikationsverhalten verbessern, damit das Team wieder effizienter arbeiten kann.“
2. Subjektiver Wunsch des Klienten
Was wünscht sich die Klientin oder der Klient selbst, unabhängig vom offiziellen Anlass?
→ Beispiel: „Ich möchte mich in Gesprächen sicherer fühlen und nicht das Gefühl haben, ständig auf der Anklagebank zu sitzen.“
3. Systemischer Kontext
Welche Auswirkungen hätte eine Veränderung? Wer müsste sich mitverändern oder würde sich dagegenstellen?
→ Beispiel: „Wenn ich mich klarer abgrenze, ziehen sich zwei Teammitglieder vermutlich noch weiter zurück.“
Diese drei Ebenen ermöglichen es, Spannungsfelder sichtbar zu machen, beispielsweise zwischen persönlicher Veränderungsbereitschaft und organisationaler Stabilität oder zwischen Loyalitäten im Team und individuellen Zielen.
Kriterien für einen gelungenen Auftrag
Ein tragfähiger Beratungsauftrag muss mehrere Qualitätsmerkmale erfüllen. Nur so entsteht ein Arbeitsrahmen, der produktiv, realistisch und motivierend ist.
Positiv formuliert: Formuliere, was entstehen oder wachsen soll, statt zu formulieren, was verschwinden soll.
→ Statt: „Ich will nicht mehr versagen.“ – „Ich will selbstbewusst mit Rückschlägen umgehen.“
Konkret und spezifisch: Das Ziel muss beschreibbar und verständlich sein, es darf nicht nur ein Gefühl sein.
→ „Ich möchte in Konfliktgesprächen sachlich bleiben, ohne mich zu verlieren.“
Selbst erreichbar: Der Klient bzw. die Klientin muss in der Lage sein, das Ziel aus eigener Kraft zu erreichen, unabhängig vom Verhalten anderer.
→ Keine Aufträge wie: „Mein Kollege soll sich ändern.“
Messbar: Es muss eine erkennbare Bezugsgröße geben, z. B. anhand von Skalenfragen, Beobachtungen oder emotionalen Zuständen.
→ „Wenn ich morgens an das Gespräch denke, fühle ich mich weiterhin wohl.“
Attraktiv und realistisch: Das Ziel soll motivierend und erreichbar sein, ohne dass es zu Überforderung oder Wunschdenken kommt.
Ein Ziel, das nur durch Selbstausbeutung erreichbar wäre, ist kein gutes Ziel.
Oft hilft der SMART-Kriterienkatalog (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert), um Ziele systematisch zu überprüfen.
Praxisbeispiel:
Coaching einer Führungskraft
Ausgangslage: Eine Teamleiterin wird von der Personalabteilung zu einem Coaching geschickt. Die offizielle Begründung lautet: „Verbesserung der Kommunikation im Team.“
Im Gespräch zeigt sich:
• Der offizielle Auftrag lautet: „Kommunikationsprobleme klären.“
• Der subjektive Wunsch der Führungskraft lautet: „Ich möchte mich wieder sicher fühlen, wenn ich Entscheidungen mitteile.“
Im systemischen Kontext wird deutlich: „Wenn ich klarer werde, könnten sich zwei langjährige Kolleg*innen zurückziehen, das würde die Situation eskalieren.“
Erkenntnis: Die eigentliche Fragestellung betrifft nicht primär Kommunikationstechnik, sondern innere Sicherheit, Teamdynamik und unausgesprochene Loyalitätskonflikte. Der Beratungsauftrag wird präzisiert und damit zielführend.
Und bedenke dabei: Auftragsklärung ist ein kontinuierlicher Prozess.
Aufträge sind nicht in Stein gemeißelt. Sie dürfen und müssen sich im Laufe der Beratung verändern. Gründe dafür sind:
– Neue Informationen kommen ans Licht.
– Die Prioritäten des Klienten bzw. der Klientin verändern sich.
– Der ursprünglich formulierte Auftrag war zu vage oder nicht mehr relevant.
Ein häufiger Beratungsfehler ist es, an einem starren Ziel festzuhalten. Professionell ist es, regelmäßig zu fragen:
„Passt das Ziel noch?”
„Ist das, woran wir gerade arbeiten, wirklich das Wichtigste?”
„Hat sich in Ihrem Erleben etwas verschoben?”
Solche Reflexionsmomente stärken die Autonomie des Klienten bzw. der Klientin, erhöhen die Effektivität der Beratung und beugen Stillstand vor.
Die Beziehung ist Teil der Auftragsklärung
Je nachdem, wie die Beziehung zwischen Klient*in und Berater*in erlebt wird, verändern sich auch die Möglichkeiten zur Auftragskonstruktion. Steve de Shazer unterscheidet drei Beziehungstypen:
1. Kundenbeziehung: Der Klient*die Klientin erkennt ein eigenes Anliegen und ist motiviert. Idealer Startpunkt.
2. Besucherbeziehung: Es gibt keine klaren Anliegen, oft kommt der Impuls von außen.
3. Klägerbeziehung: Der Klient*die Klientin sieht sich als Opfer und erwartet von anderen, dass sie die Veränderung bewirken.
Diese Einordnung hilft, die Gesprächsführung gezielt auszurichten, ohne den Klienten bzw. die Klientin zu pathologisieren. Jeder Mensch ist in unterschiedlichen Kontexten anders anschlussfähig. Die Haltung des Beraters*der Beraterin bleibt: Respektvoll, systemisch und klar. Nach einem Vertrauensaufbau können mit systemischen Fragetypen und dem Aufzeigen systemischer Blickwinkel, wie z. B. „Wir können nur unser eigenes Verhalten ändern bzw. anpassen, nicht das anderer Personen”, häufig auch Kläger und Besucher zu Kunden werden.
In unseren systemischen Weiterbildungen lernst du, wie du die Auftragsklärung in der Praxis umsetzt.
NotebookLM für Coaches & Trainer*innen

Künstliche Intelligenz kann nicht nur Texte schreiben, sondern dir als Coach oder Trainer*in auch bei der Recherche, Vorbereitung und Strukturierung deiner Inhalte helfen. Ein besonders nützliches Tool dafür ist NotebookLM von Google. Es wurde speziell dafür entwickelt, mit deinen eigenen Materialien zu arbeiten, ohne den Wildwuchs des Internets. Du kannst aber auch Quellen aus dem Internet nutzen, die dir NotebookLM vorschlägt.
Hier sind konkrete Anwendungstipps für deinen Arbeitsalltag:
1. Eigene Materialien einbinden – statt ständig zu googeln
Lade deine PDFs, Präsentationen, Word-Dateien oder Transkripte direkt in NotebookLM. Die KI analysiert deine Inhalte und beantwortet deine Fragen kontextbasiert ausschließlich aus deinen Quellen. Das spart Zeit, verhindert Fehler und schützt vor oberflächlichem Copy-Paste-Wissen.
Beispiel: Du hast mehrere Seminarunterlagen zum Thema „Systemisches Fragen”? Lade sie hoch und frage:
„Welche Fragetypen werden in meinen Unterlagen genannt und wie kann ich sie in der Supervision einsetzen?”
2. Themenordner („Notebooks“) für verschiedene Coachingfelder anlegen.
Lege strukturierte Notebooks an, z. B. für:
• Systemische Beratung und Auftragsklärung
• Achtsamkeit
• Gruppendynamik und Trainingsdesign
• Coachingmethoden
• Selbstregulation
• Business-Coaching
• Führungskräftecoaching
Du kannst Notizen aus verschiedenen Quellen zusammenführen, verlinken und gezielt abfragen. So entsteht deine eigene Wissensdatenbank, sortiert nach deinen Themen, mit KI als Recherchepartnerin.
Nutze NotebookLM, um Inhalte zu bündeln und zu verdichten.
• Erstelle eine Übersicht zu einem Thema (z. B. „zentrale Modelle der Kommunikation”).
• Bitte die KI um Gliederungsvorschläge für ein Modul.
- Lass dir konkrete Methoden aus deinen Unterlagen extrahieren („Welche Übungen mit Metaphern finde ich in meinen Skripten?”).
Das spart nicht nur Zeit, sondern erhöht auch die Qualität und Konsistenz deiner Angebote.
4. Reflexion & Konzeptarbeit im Coaching
Auch für deine eigene Reflexion kannst du NotebookLM nutzen.
- Analysiere vergangene Coaching-Dokumentationen: „Welche Muster zeigen sich in meinen Fällen zur Rollenklärung?” Achte jedoch darauf, die Fälle anonymisiert hochzuladen.
- Erstelle strukturierte Themenmemos, z. B. „Welche Wirkfaktoren wirken bei tiergestütztem Coaching?”
- Generiere neue Perspektiven, ohne dich in fremden Quellen zu verlieren.
5. Grenzen & Tipps für die Praxis
Lade nur Materialien hoch, die DSGVO-konform anonymisiert sind.
NotebookLM ist nicht für Echtzeit-Chats mit Klienten, sondern für deine interne Arbeit geeignet.
Achte auf die Qualität deiner Quellen. Die KI ist nur so gut wie die Daten, die du ihr gibst.
Wenn du Trainings damit vorbereitest, kannst du aus deinen Inhalten auch eine detaillierte Audiozusammenfassung generieren lassen und deinen Teilnehmenden zur Verfügung stellen.
Nutze die Funktion „Mindmap”, um deine Inhalte in Form einer Mindmap darzustellen. Das gibt dir eine visuelle Übersicht über die Unterthemen.
Fazit
NotebookLM ist kein Google, sondern dein persönlicher Assistent, der hauptsächlich mit deinen Inhalten arbeitet. Für Coaches und Trainer*innen, die reflektiert und strukturiert arbeiten möchten, ist es ein echtes Werkzeug.
Einladung zum systemischen Netzwerktreffen der GIS-Akademie
am 25.09.2025 in Dortmund + online

Thema:
Abgrenzung Coaching/Therapie und Soziotherapie als Brücke
Liebe Netzwerkteilnehmer*innen und Interessierte,
Wir laden euch herzlich zu unserem nächsten systemischen Netzwerktreffen für Coaches und Trainer*innen ein!
Dieses Mal steht ein zentrales Thema im Fokus, das für die Arbeit mit Klient*innen besonders relevant ist: die Abgrenzung zwischen Coaching und Therapie und die Rolle der Soziotherapie als wertvolles Instrument in der Versorgungskette.
Hintergrund: Immer mehr Menschen warten monatelang auf einen Therapieplatz. In dieser Zeit kann Soziotherapie eine wichtige stabilisierende Funktion übernehmen.
Das Netzwerktreffen bietet die Gelegenheit, wichtige Impulse für eure Arbeit als Coaches & Trainer*innen mitzunehmen und euch mit Kolleg*innen aus Coaching und Training zu vernetzen.

Was Euch erwartet
Abgrenzung Coaching vs. Therapie
Wo verlaufen die Grenzen?
Welche Verantwortung tragen Coaches und Trainer*innen?
Soziotherapie im Fokus
Was ist Soziotherapie?
Welche Lücke schließt sie im Versorgungssystem?
Für wen ist sie geeignet und wie kann sie Eure Angebote sinnvoll ergänzen?
Praxisbericht: Wir freuen uns besonders, Thorsten Leder von der Praxis für psychosoziale Gesundheit als Referenten begrüßen zu dürfen. Er wird praxisnahe Einblicke in die Anwendung und den Nutzen der Soziotherapie geben.
Nutzt dieses Netzwerktreffen, um Impulse für Eure Arbeit zu gewinnen, Fragen zu diskutieren und wertvolle Kontakte zu knüpfen.
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Veranstaltungsdetails:
Thema:
Abgrenzung Coaching/Therapie und Soziotherapie als Brücke
Termin:
25.09.2025, 17 Uhr
Ort:
GIS-Akademie GmbH
Westenhellweg 67
44137 Dortmund oder online (Zoom-Link wird nach Anmeldung versendet)
Dauer:
ca. 120 Minuten
Moderation:
Daniela Holtz
Anmeldungen bitte an:
holtz@gis-akademie.de oder
telefonisch unter 0231 / 5868 617-0.
Kosten: Völlig Kostenlos – aber auf keinen Fall umsonst.
Wir freuen uns auf euch!